Andere Menschen begegnen mir nicht. Das wird den ganzen Tag so bleiben. Nach einer Stunde erreiche ich die Prantneralm, eine gute Viertelstunde später die Riedbergalm. Sie verdankt ihren Namen vermutlich einem sumpfigen Gebiet. Kurze Rast. Aussicht genießen auf 1.925 Metern Seehöhe.
Wie ich merke, bin ich deutliche schneller unterwegs als gedacht. Laut Wegschild (Weg-NR 3) sind es jetzt noch rund zweieinhalb Stunden zum Gipfel. Der Baumbestand lichtet sich. Steintürmchen und etliche Markierungen zeigen den Weg. In den zahlreichen Erdlöchern schlummern vermutlich Murmeltiere. Pfiffe höre ich keine.
Immer wieder drehe ich mich kurz um und schaue auf die mächtigen Wände von Tribulaun und Co. . Vor mir ragt in steiler Entfernung der Weißspitz. Von meiner Stirn rinnt Schweiß. Ich atme tief und rhythmisch. „Immer ruhigen Fußes – Kalipe“, geht mir durch den Kopf. Der tibetische Gruß hilft, das Ziel zu erreichen.
„Alles richtig gemacht“
In mäßig steilen Kehren wandere ich empor. Mit jeder Stufe verändert sich der Ausblick. Im Süden erkenne ich die Geislerspitzen in den Dolomiten. In blau-grauen Tönen zeichnen sich die steingewordenen Skulpturen von Sass Rigais und Furchetta im Villnössal ab. Ich steige weiter. Jetzt sind es nur noch wenige Höhenmeter. Die Felsen strahlen weiß. Das Gipfelkreuz ragt in die Höhe. Das Gestein ist griffig. Calcium-Magnesium-Carbonat gilt als besonderes geeignetes Kletterterrain.
Ein Kletterberg ist der Weißspitz nicht. Eher ein tolles Skitourenziel. Und eben eine luftige Aussichtsplattform. Mit Blick auf die Berge im Pfitschertal, auf die Zillertaler und Stubaier Alpen sowie die Dolomiten. Schönheit, Mächtigkeit, Dankbarkeit. Diesen Dreiklang (3D) spüre ich ganz intensiv. Dankbar, dass ich das erleben und sehen darf. Ich glaube, das nennt man Demut. Der Kopf ist frei, ich fühle mich kräftig, habe Ideen und die Ereignisse der letzten Tage gut sortiert. Ja, ich habe alles richtig gemacht.
– Sterzing – Pfitschertal – Südtirol – Hanspeter Eisendle – Hotel Mondschein –