Er ist schön anzusehen, giftig und seit Jahrhunderten Symbol des Glücks: der Fliegenpilz. So vertraut wie rätselhaft und voller Widersprüche. Ein Sinnbild für verborgenes Miteinander, das Großartiges wachsen lässt. Wenn wir uns nur irgendwie verständigen.
Weiterlesen: Giftiges GlückNur langsam verschwindet der Frühdunst im Wald. Unter meinen Schuhen rascheln Blätter, knacken kleine Äste, schmatzt der nasse Boden. Aus dem sattgrünen Moos trieft das Regenwasser der vergangenen Nacht.

An diesem Oktobermorgen spaziere ich allein durch den Forst. Ein paar Sonnenstrahlen dringen als schleierhafte Lichtkegel durch das Dickicht – an einigen Stellen bis zum Boden. Links und rechts Halbschatten. Keine zwei Meter von mir entfernt leuchten rote Kappen mit weißen Punkten. Fliegenpilze. Ich bleibe stehen, knie mich hin, streiche über den roten Hut eines üppigen Exemplars. Die weißen Flocken sind trocken und brüchig.
Gelebter Widerspruch

Amanita muscaria (lat. Name) weckt Kindheitserinnerungen – und löst einen Zwiespalt aus. Fliegenpilze gelten als Glücksbringer, aber auch als giftig. Wie passt das zusammen? Als Junge habe ich nie wirklich darüber nachgedacht. An diesem Oktobertag aber wabert dieser Widerspruch durch meine grauen Zellen. Warum ausgerechnet heute? Rätselhaft. Vielleicht liegt es an der Gegenwart, die ich als eine Zeit der intensiv erlebten Widersprüche empfinde. Eine einerseits-keinesfalls-andererseits-Phase.

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