Kelly & das goldene ‚Eckzeck‘

Kelly & das goldene ‚Eckzeck‘

 13. Januar 2022

Die hoffnungsvolle Karriere als Fünfkämpfer ist abrupt beendet. (Bild: Warnatzsch)

Ironie des Schicksals: Die DDR-Sportführung beschließt kurze Zeit später, den Modernen Fünfkampf nicht mehr zu unterstützen. Die Sportart erschien bei Olympia nicht medaillenträchtig genug. „Also wurde ich Trainer. Das war sowieso mein Ziel“, erzählt Warnatzsch mit hochgezogener Augenbraue. 1969 beginnt der 22-Jährige beim SC Dynamo Berlin. Im Nachwuchsbereich Schwimmen. Anfang der 1970er Jahre studiert er per Fernstudium an der DHFK und wird Diplomsportlehrer. „Leichtathletik, Turnen, Fußball, Handball, Volleyball, Schwimmen. Ja, sogar Skispringen… haben wir jemacht. In Theorie und Praxis, mit Trainingslehre und Didaktik.“

Erst Kinder, dann Erwachsene und Top-Sportler

„Dass ich Trainer werde, war schon

früh beschlossene Sache“

Warnatzsch über seinen Beruf
Vertrauen schaffen durch Zuhören

Vor allem der Umgang mit jungen Menschen scheint Warnatzsch zu liegen. Er kümmert sich auch außerhalb der Schwimmhalle um seine Schützlinge und bindet sie ein. „Ich habe immer versucht, meine Überlegungen und Pläne zu erklären“, erzählt der dreifache Vater. Das bestätigen viele Sportler und Sportlerinnen, die der Trainer aus Passion zum Erfolg führt. Jörg Woithe etwa. „Wäre Norbert nicht gewesen, wäre ich 1980 kaum Olympiasieger über 100m Freistil geworden.“ Ursprünglich war Woithe Brustschwimmer und Spartakiade-Sieger. Dann wächst er offensichtlich zu rasch, Arme und Beine passen nicht mehr so recht zusammen und seine Leistung stagniert. „Ich stand fast schon vor dem sportlichen Aus“, erinnert sich der heute 58-Jährige. Warnatzsch nimmt ihn 1977 zur Seite und sagt: „Wir probieren es mit Kraul. Da hast du Potenzial.“

Woithe/Warnatzsch

Kelly war für mich immer mehr als nur der Trainer. Ein väterlicher Freund, Seelentröster und ein Vorbild. Er ist ein akribischer Arbeiter. Ich erinnere mich gut: Es war an der Ostsee, wir wollten die Saisonplanung besprechen. Als ich im Nachbarort zu ihm kam, bot sich ein fast surreales Bild. Auf dem Fußboden verteilt lagen bei ihm in der Ferienwohnung Unterlagen, Daten, Testergebnisse und Notizen. Für mich war das Chaos, für Kelly offensichtlich die beste Form der Übersicht, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Nie verbissen. Immer mit einer Portion besten Humors. Norbert formte mich zu einem Spitzenathleten und zu einem besseren Menschen.“ Jörg Woithe (Olympiasieger 1980 über 100m Freistil)

Drei Jahre später holt Woithe Gold bei Olympia in Moskau. Ähnlich erfolgreich arbeitet er mit anderen Athleten und Athletinnen. Mit Franziska van Almsick, die nach einer sportlichen Durststrecke zu Warnatzsch zurückkehrt und Anfang der 2000er fünfmal Europameisterin wird. Inklusive Weltrekord über 200m Freistil.

Mit Britta Steffen, die lange als „ewiges Talent“ gilt, weil sie ihr Potenzial angeblich nicht abruft. 2008 wird sie Doppel-Olympiasiegerin über 100m und 50m Freistil. An ihrer Seite: Norbert Warnatzsch. Auch die Vizeweltmeisterin und Europameisterin über 200m Schmetterling Franziska Hentke lobt: „Norbert ist mit all seiner Erfahrung für uns Sportler da. Oft mit einem lockeren Spruch auf den Lippen.“

Woithe/Reinisch

„Norbert war einer der wenigen Trainer in der ehemaligen DDR, die ich mochte. Kelly war zwar nie mein Trainer, aber seine besonnene Art hat mir immer gefallen. Keiner, der herumschrie oder großspurig auftrat, aber einer mit feinsinnigem Humor. Auch als er herausfand, dass mich und Jörg Woithe mehr verband als nur Freundschaft. Während eines Trainingslagers der Nationalmannschaft in Lindow/Rheinsberg… zu sogenannten Grundlagenausdauer-Phasen, traf sich hier mehrmals jährlich die gesamte Schwimm-Nationalmannschaft. Und es wurde nicht nur geschwommen…, wir absolvierten in unserer wenigen Freizeit beispielsweise auch Tanzstunden. Ja, es wurde nicht nur geschwommen. Jörg und ich waren ein Tanzpaar und eben auch ein tanzendes Paar.  Norbert hatte das längst durchschaut. Seine Witzchen waren uns von da an sicher.“ Rica Reinisch (dreifache Olympiasiegerin 1980 – Moskau im Rückenschwimmen)

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