Gefängnisse verströmen demnach einen ganz speziellen Geruch. Vor allem früh morgens, wenn die Insassen noch nicht richtig wach sind. „Eine mitunter strenge Mischung aus Schlaf, schlechtem Atem, Socken, Füssen, Desinfektionsmitteln, Essen und kaltem Rauch.“ Eher das Gegenteil von frischer Luft an einem See oder am Meer. An Schwimmen ist im „Knast“ ohnehin nicht zu denken. Zwischen dem Draußen und Drinnen befinden sich Gitterstäbe, hohe Mauern und Stacheldraht. „Wenn ich die JVA betrete, bleibt eine gewisse Portion Freiheit am Eingangstor liegen“, beschreibt Doreen Rehfeld ihren Arbeitsalltag. Indirekt hat der immer mit der Frage nach der Freiheit zu tun. Sträflinge zu betreuen, heißt nach Auffassung der Psychologin nicht nur zu klären, „was alles schiefgelaufen ist, sondern herauszufinden, wann und wo es Momente des Glücks gegeben hat.“
Für Doreen Rehfeld sind das oft Erlebnisse am und im See oder am Meer. Kein Wunder, dass H20 auch in ihren therapeutischen Ansätzen eine zentrale Rolle spielt. Neben Motivation und Humor ist Wasser ein verbindendes Element. „Weil man es für so viele Bilder verwenden kann.“ Wasser trägt. Wasser hat Kraft. Wasser ist der Ursprung des Lebens. Wasser spiegelt das Sein. Wie fühle ich mich? Was treibt mich? Was lässt mich kalt, gebe ich mich einer Strömung hin, gehe ich dagegen an? Welchen Wellen stelle ich mich oder lasse ich mich durchschaukeln? „Wasser hilft, das Leben von einer anderen Perspektive aus zu betrachten. Es motiviert, neugierig zu sein, mit Humor auf sich und die Welt da draußen zu schauen“, ist Psychologin Rehfeld überzeugt. „Außerdem kann ich im Wasser herrlich nachdenken und frei atmen.“
Selbst wenn es blubbert oder gurgelt, herrscht eine wohltuend besänftigende Ruhe. Dann spiegelt das Wasser höflich und dennoch klar, wie man/frau sich gerade fühlt. Ausgeglichen, kräftig, schlapp, zufrieden, traurig, unruhig? „Beim Schwimmen im See lerne ich so viel über mich und meinen Zustand“, bringt es Wasserfrau Rehfeld auf den Punkt. „Kloppe ich drauflos, ist es nix mit harmonischer Eleganz.“ Dem See ist das ziemlich egal. Aber er rät auf unmissverständliche Art und Weise, vorhandene Energie vielleicht gezielter einzusetzen.
„Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut“
Perikles, griechischer Staasmann
Atmen, richtig atmen, gelassener werden, haus- und aushalten, mit dem was da ist. Zum Beispiel auch mehr oder weniger große Fische wie Welse. In anderen Regionen heißen sie auch Waller. Diese Tiere bringen Doreen Rehfeld seit einiger Zeit in Wallung. Ausgangspunkt war ein längeres Gespräch mit einer Frau, die sich vor den Fischen fürchtete und nicht in einen See gehen wollte. Die Psychologin redete der Dame gut zu, die daraufhin versprach, wieder schwimmen zu gehen. So weit so gut. Bei ihrem nächsten „Schwumm“ bemerkte Doreen aber ein mulmiges Gefühl. „Was, wenn jetzt ein großer Wels neben mir auftaucht?“ Bis heute ist das nicht so ganz verschwunden. Rehfeld lacht. „Schon bekloppt, oder?“
Um sich seinen Ängsten zu stellen, braucht es Mut. Davon ist die schwimmende Frohnatur überzeugt. In diesem Zusammenhang gefällt der Psychologin ein Zitat des altgriechischen Denkers und Staatsmanns Perikles. Er hat einmal gesagt: „Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“ Frau Rehfeld liebt die Freiheit. Wer mutig genug ist, in dunklen und schlammigen Moorlöchern das Schwimmen zu lernen, darf wohl auch als glücklich gelten.