Aufgewachsen ist Simon Messner in einer Burg. Schloss Juval im Vinschgau. Für ihn nichts Besonderes. „Es ist und bleibt zumindest meine zweite Heimat.“ Eine, die er seinerzeit als Abenteuerspielplatz empfindet. Simons Eltern lassen den Kindern viel Freiraum, stellen aber auch Regeln auf. Wenige. Zum Mittag- und Abendessen müssen Simon und seine Geschwister daheim sein. Wobei der Vater nicht gekocht hat. „Das hat die Mutter übernommen. Gott sei Dank“, lacht der sehr schlanke, drahtige junge Mann. „Denn sonst wäre ich wohl noch dünner als ich es ohnehin schon bin. Reinhold ist kein guter Koch.“
Was wir von Paula Profanter, der Hüttenwirtin der Gschnagenhardt-Alm sicher nicht sagen können. Essenszeit. Es gibt Buchweizenschmarren, Schwarzplenten-Ries. Ein Gedicht. Nicht, weil es mein erster Ries ist, sondern weil es extrem lecker und vor allem nahrhaft ist. Gespickt mit Äpfeln sättigt das Gericht, ohne ein Füllegefühl zu verursachen. Wir sitzen mit der Familie und dem gesamten Hüttenteam am langen Tisch, essen, plaudern, schwelgen. Auch in Erinnerungen. Paula zieht ein Fotoalbum aus dem Regal. „Hier Simon, die Bilder kennst du vielleicht noch nicht.“ Der junge Mann, der an diesem Ort schon als kleiner Junge war, ist gerührt. Er blättert durch den Ordner.
„Mensch, da ist ja Onkel Günther. Leider habe ich ihn nicht mehr kennengelernt, da er 1970 am Nanga Parbat auf tragische Weise ums Leben kam.“ Simon wird ganz still, fast andächtig. Dann schlägt er die nächste Seite auf. Ein Bild von seiner Großmutter, der Mutter seines Vaters. „Sie ist leider viel zu früh gestorben.“ Während Messner Junior das sagt, schnappt sich Hüttenwirt Konrad das Akkordeon und beginnt Südtiroler Weisen zu spielen. „Hüttenabend“ am Mittag. Wir lauschen gemeinsam, sind fasziniert von Konrad. Die Hingabe ist es wohl, die uns begeistert. Dabei hat der Hüttenwirt nie Noten gelernt. Er spielt nach Gehör. „Und Unterricht habe ich auch nie gehabt“, sagt er. „So jetzt redet mal weiter. Ich lass euch in Ruhe.“
Draußen regnet es nicht mehr. Dennoch gut, dass wir hier sind. „Was ist dir beim Durchblättern des Albums durch den Kopf gegangen?“, will ich von Simon wissen. „Das war eine Reise in die Vergangenheit, die mir zeigt, dass das Leben endlich ist“, antwortet der Kletter- und Bergfex. Im November wird Simon 30 Jahre. Alt oder jung? „Das liegt ja im Auge des Betrachters“, schmunzelt er. Geplant sei nichts. „Ich meide den Rummel“. Zumal der Südtiroler das mit seinem 30. Geburtstag fast „verdaddelt“ hätte.
Was die Zukunft bringt? „Wir werden es sehen“, sagt Simon Messner: Der Filmemacher, der Alpinist, der Kletterer, der Bergfex, der Molekularbiologe, der Bauer, der… ja was? Tausendsassa? „Nee“, winkt er bescheiden ab. Ob es Fluch oder Segen sei, dass er so multitalentiert und interessiert sei, frage ich. Der junge Mann, der sich vorstellen kann, auch eine Familie zu gründen, schüttelt den Kopf. „Das mit dem Talent müssen Andere beurteilen.“ Was Simon aber 100%ig weiß: „Ich will nicht beim Klettern sterben. Und ansonsten schauen wir, was kommt.“