Abends sitzt Salem gelassen im Zelt. Essenszeit. Ein Bekannter und ein Nachbar sind zu Besuch gekommen. Wir waschen uns die Hände. Dann wird aufgetischt. Eine Tajine. Das ist ein in einem Trichter förmigen Tontopf gekochtes Gericht, für das es vermutlich Hunderte Rezepte gibt. Zubereitet aus viel Gemüse, verschiedenen Gewürzen und wenig Fleisch. Hier mit Huhn und extrem schmackhaft.
Als Gastgeber verteilt Salem das Fladenbrot, das seine Frau kurz zuvor draußen im Ofen gebacken hat. Es ist knusprig, warm und Grundlage für jede Mahlzeit. Besteck gibt es keines. Hier tunkt man mit dem Brot in die Sauce und isst mit den Fingern. Mit denen der rechten Hand. Die linke gilt als unrein.
Während des Essens reden Männer und Frauen, die ihre Mahlzeit getrennt einnehmen, ununterbrochen miteinander. Es gibt offensichtlich viel zu erzählen. So viel, dass auch nach dem Essen der Gesprächs-Stoff nicht ausgeht. Das gelegentliche Klingeln eines Handys amüsiert die Runde. Sie lacht, sie kichert und macht Scherze. Ich verfolge das aus meinem Schlafsack, denke an das Bild des Tages, an das unglaubliche Licht, das mich wärmt und heiter macht.
Mustapha hatte zuvor übersetzt und meinen Gastgebern gesagt: „Hamadi ist müde.“ Salem und die anderen mussten grinsen und ließen mich wissen, ich solle mich wie zuhause fühlen. Dann reden sie weiter. Leise, ruhig, entspannt. Fast summend. Natürlich verstehe ich kein Wort. Ja, ich bin angenehm müde. Liegt es daran, dass aus dem Gespräch ein Gemurmel geworden ist, aus dem Gemurmel eine Art Gesang und daraus die Melodie eines Schlafliedes? Es könnte den Titel tragen: „Eine Nacht bei Nomaden.“
Als ich wach werde, meckern schon die Ziegen und die Sonne geht gerade auf. Salem inspiziert das Gelände. Später lässt er es sich nicht nehmen, das Frühstück für den Gast mit den blauen Augen zu zelebrieren. „Wir Nomaden sind gastfreundlich. Das war immer so und so wird es bleiben.“ Während er das sagt, pustet er mit dem Blasebalg unablässig Luft in die Schale mit der glühenden Holzkohle. Darauf steht die Teekanne, in der das Wasser kocht. Noch ein großes Stück Zucker hinein, dann immer wieder in die Gläser geschenkt und zurück in die Kanne, „damit sich der Zucker schneller auflöst“, erklärt Salem. Tee in der Sahara ist ein süßes Vergnügen. „Ob er diese Lebensweise mag?“, frage ich Salem. „Ich kenne keine andere. Ich bin frei. Das ist das Wichtigste.“ Dann bricht er das Brot auseinander und verteilt es. Schweigend. Diese Gastfreundschaft ist ein wortloses Geschenk, wie so Vieles in der Wüste.