Muss das so sein? Es regnet. Unablässig. Eigentlich schüttet es seit Stunden. Langsam ächzt der Wagen auf der Straße nach Lech hinauf. In engen Serpentinen windet sich die Strecke in die Kälte. Dichtes Schneetreiben im September. Die „graue Suppe“ verschluckt die zahlreichen Hotels im Wintersportort Lech. Hier, auf gut 1500 Metern über dem Meer, herrscht Nebel. Ungemütlich. „Gut, dass ich im Auto sitze und nicht im Nasskalten herum stapfe“, denke ich auf meiner Rückfahrt in den Norden. Obwohl ich doch lieber draußen wäre, „in den geliebten Bergen.“
Vor mehr als fünf Jahren war ich das letzte Mal in den Lechtaler Alpen. Damals hatte ich bestes Wetter. Strahlenden Sonnenschein und Wärme. Ich befand mich mit freiem Oberkörper zu Fuß auf dem Weg von St. Anton am Arlberg über Lech, Warth und die Mindelheimer Hütter bis nach Oberstdorf. Jetzt trage ich eine warme Jacke, die Scheibenwischer quietschen ein wenig und das Gebläse im Auto verhindert, dass das Fenster beschlägt. Das Radio schweigt. Der Motor brummt. Angesichts des Wetters klingt das eher wie hunderte Seufzer? Oder wie eine Art Stoßgebet gen Himmel. „Lieber Gott, hab‘ bitte ein Einsehen!“ Eine Viertelstunde später, etwas weiter unten, verwandelt sich der Schnee wieder in Regen. Aber er wird wärmer und aus den Bindfäden sind einzelne Tropfen geworden. „Vielen Dank. Amen.“ Ich schmunzele. „Beten hilft doch!“
Gerade fahre ich mit dem PKW an einer kleinen Kirche vorbei. Sie steht am Ortseingang von Steeg und ist dem Heiligen Oswald geweiht. Er gilt als Schutzpatron für Schnitter (eine Art Erntehelfer) und das Vieh. Kein Wunder, dass die Menschen im Lechtal St.Oswald verehren. Weiden und Wiesen gibt es hier jede Menge. Sie leuchten sattgrün. Nach dem Regen noch intensiver. Ja, er hat aufgehört und ich tuckere weiter bis nach Stockach, dem Lech folgend. Diesem Fluss, der in Vorarlberg entspringt, durch Tirol rauscht, die Region bis heute formt und prägt, bis er später in Bayern in die Donau mündet.
Der Name Lech stammt wohl aus dem Keltischen und bedeutet so viel wie „Der Steinige“. „Das trifft es“, finde ich und staune. Über die hohen Berge links und rechts des Flusses. Im Norden ragen die „Ellbogner Spitze (2552m) „Wilder Kasten“ (2.542m) und die Wildmannspitze (2489m) in den blau grauen Himmel. Im Süden warten noch höhere Wolkenkratzer. „Rotschrofenspitze“ (2588m), „Wetterspitze“ (2895m) und „Feuerspitze“ (2852m). Genau in dieses Gebiet soll es für mich gehen. Einen Freund besuchen: den Hüttenwirt Charly Wehrle.