Milch statt Munition

Milch statt Munition

 24. September 2021

Es hat auch etwas Mystisches

Als Kind habe ich es gemocht, bei Regen durch die Pfützen zu stapfen oder Fußball zu spielen. So als müsste ich das WM-Finale von 1954 im Berner Wankdorf-Stadion nachinszenieren. Damals schüttete es aus Kübeln. Auf dem matschig tiefen Rasen (war es noch einer?) spielten 22 erwachsene Männer aus Ungarn und der noch jungen Bundesrepublik Deutschland um die WM-Krone. Gewiss kein Kaiserwetter. Niemand beschwerte sich, jeder gab alles. Ungarn wie Deutsche. Unvergessen: „Boszik, der rechte Läufer der Ungarn, immer wieder Boszik. Er hat den Ball verloren. Diesmal gegen Schäfer, Schäfer nach innen geflankt. Kopfball -abgewehrt. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen – Rahn schießt – Tooor, Tooor, Tooor, Tooor… (Zitat Reportage Herbert Zimmermann 1954).“ Der Rest ist Geschichte. Helden-Geburt im nasskalten Finalfieber.

Auf dem Weg hinauf

Ich stapfe durch die Berge, als mir all das durch den Kopf geht. Erinnerung, die mich das Leben spüren lässt. Das Hochtal in Lofer im Salzburger Land breitet sich still vor mir aus. Ein bisschen „verlorene Welt“ hier am Fuße der Steinberge. Die Nazis hatten das Areal im zweiten Weltkrieg konfisziert. Sie errichten damals Buden, Baracken und Bunker. Um Waffen zu entwickeln, menschenverachtendes militärisches Gerät. Perversionen:  Die sogenannte „Volksflak“ etwa. Ein Monster, das mit Kohlestaubexplosionen die „feindlichen“ Linien schwächen sollte. Zum Einsatz kommt es (Gott sei Dank) nie.

Nach dem zweiten Weltkrieg übernehmen erst die amerikanischen Besatzungstruppen das Areal, später nutzt das österreichische Bundesheer das Gelände. Als Munitionsdepot. 2006 zieht sich die Armee zurück, stellt den Betrieb weitgehend ein. Jetzt weiden hier Kühe. Sie interessieren keine Sprengköpfe, Granaten oder Patronen. Resi und Rosi würden das gesamte Gebiet lieber wieder so verwenden, wie es jahrhundertelang von den Bauern genutzt wurde. Als Almgebiet. Milch statt Munition. Doch das österreichische Bundesheer mag sich nicht trennen. Aus Angst vor anderen Zeiten oder vor möglichen Kosten, die durch Wiederherstellung des einstigen Zustands entstünden?

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