Ein Mann mit Haltung

Ein Mann mit Haltung

 12. November 2023

Grüß Gott statt „Heil H.“

In der Küche duftet es nach Rindfleischsuppe. Im großen Edelstahltopf auf dem Herd kocht es leise. Lauch, Sellerie, Karotten und ein Stück Rindfleisch schwimmen in der Suppe. Josef Rainer sitzt mit seiner Frau Notburga auf der Holzbank neben dem Herd. Draußen scheint die Sonne. Das Ehepaar lächelt und sagt, „Grüß Gott, kimmt’s eina… .“ Was normalerweise als herzliches Willkommen gilt, mutierte vor vielen Jahren zur Kampfansage.

„Keine Ahnung, was mei Vota da machte“

Josef Rainer: Damals 6, heute 90

Frühjahr 1938. Die Nazis sind in Deutschland an der Macht. Adolf Hitler gliedert Österreich in das Deutsche Reich ein. Nationalsozialisten feiern das als „Heim ins Reich.“ Überall in den „neuen“ Gebieten sollen nach dem Willen der NS-Schergen Hakenkreuzfahnen wehen. Auch in Innervillgraten. Doch zahlreiche Menschen in dem Osttiroler Tal machen nicht mit. Als sie im April 1938 über den „Anschluss“ abstimmen, wehrt sich ein gutes Viertel der Dorfbewohner aus Innervillgraten, so viel wie sonst nirgends im „Gau Kärnten“ und in ganz Österreich. Auch Josef Rainers Vater vom Außerlanshof lehnt den Anschluss ab und macht seinen Protest weithin sichtbar.

Statt eine Hakenkreuzfahne zu hissen, prangt eines Morgens ein frisch geschnitztes „Grüß Gott“ am Geländer des großen hölzernen Bauernhauses. „Mein Vater Josef konnte mit den Nazi-Parolen nichts anfangen“, flüstert Josef Rainer. „Sein christlich geprägtes Menschenbild verbot ihm das.“ Der heute 90-Jährige war damals sechs Jahre alt und eines von neun Kindern am Lanserhof. Fast eineinhalb Jahre hat der „Grüß Gott“ – Bauer seinerzeit gebraucht, bis er den vermeintlich harmlosen Schriftzug auf dem Balkon fertig hat. Josef Junior hilft ihm dabei. Nicht wissend, „was mein Vota da anstellte.“

Notburga und Josef Rainer

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