Bis heute bestehen Zweifel. Nicht, dass Naus, Tauschl und Maier dort oben angekommen sind. Sondern: Vor ihnen könnte es andere gegeben haben. Hirten, Jäger und vor allem Schmuggler. Denn es existiert eine Karte aus dem 18. Jahrhundert, die lange als verschollen gilt. Im Jahr 2006 entdeckt sie eine Archivarin des Deutschen Alpenvereins. Darauf eingezeichnet eine gestrichelte Linie über das Zugspitzplatt zum Gatterl (also der Weg, den ich genommen habe). Ein Beweis für eine Besteigung der Zugspitze ist das nicht, wohl aber ein Hinweis, dass sich schon vor dem Jahr 1820 etliche Menschen im Gipfelbereich „herumgetrieben“ haben könnten.
Sei’s drum. Die letzten Höhenmeter sind gleich geschafft. 8.30 Uhr. Noch ist auf dem Gipfelplateau nicht viel los: Die Wirtsleute vom Münchner Haus, ein paar Gäste, die hier oben genächtigt haben und einige Mitarbeiter der Bahnen. Sie werden gleich Scharen von Besuchern hinauf- und wieder hinunter befördern. Bei gutem Wetter sind es Tausende. Jeden Tag. Vorbei die Ruhe. Wie das in Zukunft werden soll? Darüber zerbrechen sich viele kluge Leute die Köpfe. Sicher ist: Der Spagat zwischen Bergwelt und Tourismus ist eine Gratwanderung.
So wie die wenigen Schritte zum Gipfel. Ich bin allein auf dem Dach Deutschlands. Das ist etwas Besonderes, wie auch die Aussicht. Denn anders als beim mutmaßlichen Erstbesteiger Josef Naus habe ich Glück. Es ist ein wunderbarer Spätsommertag. Kein Gewitter, kein Schnee-Treiben, kein Unwetter. Naus hat die Kraxelei im Werdenfelser Land zumindest beruflich nicht geschadet. Es ging recht steil bergauf mit seiner Militär-Karriere. 1857 geht der gebürtige Tiroler im Range eine Generalmajors in Pension, die er noch 14 Jahre lang genießt.
So, wie ich die Aussicht auf das Land da unten, das sich ausbreitet, als sei es eine Filmkulisse. Dort, wo der Eibsee im tiefen Blau funkelt, die bayerischen Berge leuchten und der Schweinebraten mit „Kloß und Soß“ warten.