Ein Blick zur Uhr. In einer Stunde kommt Barbara. Sie wird für den Teig zuständig sein. Das war immer schon so. Diese Arbeitsteilung hat sich bewährt. „Jetzt san mer alt, da ändern mer des nimmer.“ Aus dem Radio tönen Verkehrsmeldungen. Stau auf der Brenner-Autobahn 13 bei der Einreise nach Italien… Dann wieder Musik. Eros Ramazotti… Se bastasse una canzone… und kurzes Päuschen. Barbara Schett ist da. „Grias Gott“, sagt sie freundlich. Dann kramt sie kurz in ihrer Tasche, zieht die Schürze heraus, streift sich diese über und wäscht sich die Hände. Mehl, Wasser, Öl und Salz stehen schon bereit.
Am großen Teigbrett, das auf dem Küchentisch liegt. In einer Schüssel vermengt Barbara die Zutaten und beginnt zu kneten. Bis der Teig ganz geschmeidig ist. Die kräftigen Hände können zupacken. „Da brauch I koa Fitnessstudio“, grinst Barbara und walkt weiter. Paula steht derweil an der Spüle und wäscht ein bisschen ab. Die beiden Damen unterhalten sich pausenlos. Über dies und jenes, was es im Tal Neues gibt. Wer welches Zipperlein hat und wie die Coronazahlen sind… Es wird viel gelacht, das Radio spielt Udo Jürgens: „Immer wieder geht die Sonne auf“…
„Da brauch‘ ich koa Fitness-Studio“
Paula und Barbara nehmen am Küchentisch Platz. So, als wollten sie jetzt ein Puzzle mit 2.000 Teilen zusammensetzen. Nur, dass sie nicht puzzeln, sondern Schlipfkrapfen machen. Eine Speise, die es in Tirol seit Jahrhunderten gibt. Früher vor allem bei den Bauern nach einem harten Arbeitstag. Denn Schlipfkrapfen sind gehaltvoll und nahrhaft, was weniger an den Teigtaschen liegt, als an der zerlassenen Butter und dem geriebenen Käse. Beide werden kurz vor dem Servieren über die Krapfen gegeben.
Vor Paula und Barbara liegt der ausgerollte Teig, aus denen sie kleine Kreise mit einem Durchmesser von gut fünf Zentimetern ausstechen. Die Freundinnen füllen die Taschen mit der Kartoffelmasse und drücken sie behutsam an den Seiten zu. Auf einem weiteren Doppel-Brett legen sie die Krapfen liebevoll ab. Das geht jetzt ca. zwei drei Stunden so. Teig ausrollen, ausstechen, füllen, „zsamm’drucken“, ablegen. Die Familien Schett-Barbara und Schett-Paula haben ziemlich oft großen Schlipfkrapfen-Appetit. „Wir moch’n des gern“, sagt Barbara. „Erstens tun mer was Sinnvolles, sehen uns und wir haben an Spoaß“. Paula sitzt daneben, nickt und nascht von der Kartoffelfülle… . Wie viele Schlipfkrapfen die beiden Damen in ihrem Leben gemacht haben, wissen sie nicht. Die Zahl dürfte in die Hundertausende gehen, vielleicht in die Million. „Wir führen ja kein Buch darüber“. Was Paula und Barbara aber wissen: Nach getaner Arbeit gibt es einen Kaffee und ein kleines Stück selbst gebackenen Kuchen. Und manchmal ist auch ein Schnäpschen dabei. Aber nur eins… Im Winkel über dem Küchentisch hängt ein Kruzifix und im Radio spielen sie jetzt Genesis: „Jesus, He Knows Me“.
Ganz bezaubernd 💙 eure Seite
Vielen Dank. Wir versuchen unser Bestes:-)