Der unbeugsame „Sonnenschein“

Der unbeugsame „Sonnenschein“

 27. Juli 2021

Kurioserweise lernt das Mädchen erst mit acht Jahren Schwimmen. Nicht auf Usedom, sondern in der Schule in der Oberlausitz. Schon ein Jahr später erkennt das Ehepaar Allendorf (die als Späher des DDR-Sportsystems arbeiten), dass in Rica ein besonderes Talent schlummert. Mit zehn geht das Mädchen von der BSG Großschönau nach Dresden auf die sogenannte Kinder- und Jugendsportschule und beginnt mit dem systematischen Schwimmtraining. „Ich wollte das unbedingt.“

„Ich fühle mich nicht als Opfer“

1976 finden die Olympischen Spiele im kanadischen Montreal statt, die jungen Sportler*innen der KJS in Dresden schauen im Fernsehen zu, wie die Athlet*innen der DDR Medaillen wie am Fließband abräumen. Reinisch sitzt seinerzeit im Fernsehsaal und beschließt: „Ich werde auch Olympiasiegerin.“ Die Kamerad*innen lachen, nehmen den Teenager nicht ernst. Doch Rica Reinisch trainiert wie eine Besessene, macht mehr als andere. Und erstmals kommt sie in Berührung mit autogenem Training, „da habe ich wohl den Zugang zu meiner Spiritualität entdeckt. „Für die junge Schwimmerin, die sich rasch im Training steigert und zur Weltspitze aufschließt, ist es sonnenklar, dass sie bei den Boykott-Spielen in Moskau Gold holen wird. „Im Geiste habe ich die Rennen durchgespielt, bis auf wenige Zehntel Sekunden genau.“ Ausdauer, Disziplin und Willenskraft sind die Markenzeichen, die das Leben der Sportlerin prägen. Und eine unbeugsame Freundlichkeit, die Dinge positiv zu sehen. Im Juli 1980 gewinnt Rica nicht nur dreimal Gold im Rückenschwimmen (100m, 200m und in der Lagenstaffel), sondern es purzeln auch die Weltrekorde. Ein neuer Schwimmstern der DDR geht auf. Was die damals 15-Jährige nicht weiß: Sie ist gedopt, vollgestopft mit anabolen Steroiden. „Das war eine Sauerei, Menschen verachtend, die Verantwortlichen haben billigend in Kauf genommen, dass man eventuell Suchtkranke heranzieht. Ein Aspekt, der oft vernachlässigt wird.“

Mit 15 Jahren bei Olympia in Moskau

Aber als Opfer fühlt sich Rica nach eigener Aussage nie. „Meine Wut und Enttäuschung habe ich aufgearbeitet.“ Später (nach der Wende) geht Reinisch juristisch gegen diese Misshandlung vor, weil sie ihre so hoffnungsvolle Karriere auf Anraten eines Gynäkologen schon 1982 beendet. Die beste Rückenschwimmerin der Welt ist ständig krank, hat gesundheitliche Probleme. Ihr Arzt warnt: sie: „Wenn du irgendwann einmal Kinder bekommen möchtest, dann solltest du schleunigst aufhören mit dem Hochleistungssport.“ Das macht die nicht einmal 17-Jährige.

Heute lebt die dreifache Olympiasiegerin in einer alten Burg

4 Kommentare für “Der unbeugsame „Sonnenschein“

  1. Danke für diesen Bericht! Ich wollte unbedingt als Kind und Schwummerin auf die KJS nach Rostock und meine Mutter war stets dagegen. Heute weiß ich warum….Danke für die offenen Gespräche.!

  2. ein wunderbarer Blog, Jörg Danke auch an Rica Reinisch für ihre Offenheit!
    Und weißte noch Jörg , eines unsere Gespräche auf einer Wanderung drehte sich auch um dieses Thema im Leben in der DDR Vieles was hier geschrieben steht und mit Ton hinterlegt ist erinnert mich an meine eigene Geschichte.
    Danke und bis bald
    Matthias

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