Der Morgen dämmert. Die Wiese ist feucht. In der Nacht hat es leicht geregnet. Die Wolken sind noch da. Der Kaffee in Christofs Küche ist stark und heiß. Ein Marmeladen-Brot muss als Frühstück reichen. An der Terrassentür steht Alfons und winkt durch das Fenster. „Wollen wir los?“ Um kurz nach sechs Uhr sitzen wir im Auto, tuckern erst nach Sillian, an Innichen vorbei und biegen dann in Toblach Richtung Cortina d‘ Ampezzo ab. Das Ziel: Der Parkplatz an der Auronzo-Hütte. Um diese Uhrzeit sind wir (noch) fast alleine hier, als wir aus dem Auto steigen. Die Rucksäcke auf den Schultern, stapfen wir los. Gemütlich. Erstmal eingrooven, die Wildheit der Dolomiten einsaugen…
…von denen wir im Moment noch gar nicht so viel sehen. Die Wolken hängen tief und verhüllen die meisten Spitzen, Gipfel, Zacken und Grate. „Ist nicht tragisch“, sage ich, „das wird schon noch aufreißen. Irgendwann… .“ An der Lavaredohütte machen sich die ersten Wandergruppen zum Abmarsch fertig. Wir lassen das Haus rechts liegen und schlendern weiter leicht bergan. Bis zum Einstieg des eigentlichen Klettersteigs. Vor einem Tunnel streifen wir unsere Klettergurte über, setzen die Helme auf, trinken einen Schluck und erinnern uns an das, was hier vor gut 100 Jahren geschah. Die ganze Region war Schauplatz des ersten Weltkriegs. „Ein Gebiet des Irrsinns“, sagt Christof.
Zehntausende Soldaten der Kriegsparteien ließen hier ihr Leben. Weniger durch Kampfhandlungen, eher weil sie hungerten, erfroren oder krank wurden. Nennenswerte Geländegewinne oder militärische Fortschritte gab es nicht. Große Teile der Berge und Massive sind hier löcherig wie ein Schweizer Käse. Stollen, Kavernen, Gänge, Hallen, Unterstände, Schießscharten… das gesamte Programm des Stellungskriegs eben. Uns laufen kalte Schauer über den Rücken. „Irgendwie gruselig, das Ganze“, flüstert Alfons. „Das sollte jeder mal gesehen haben. Nie wieder Krieg bitte.“