Erst viel später – der Vater kommt im Juni 1957 nach der Erstbesteigung des Broad Peak bei einer weiteren Expedition im Himalaya (Chogolisa) bei einem Unglück ums Leben – merkt Kriemhild Buhl, dass sie sich mit ihrem Vater- und Männerbild auseinandersetzen muss. Eine systemische Familienaufstellung hilft der jungen Frau dabei. Mit dem anderen Geschlecht hatte sie ihre Mühe. „Einen Bergsteiger wollte ich definitiv nicht, die waren ja nie daheim“, erzählt sie mit einem Lächeln und erinnert sich an die eigene Familie.
„Aber was hermachen sollte er schon.“ Ein Traum begleitet sie seit der Pubertät. Ein Albtraum? „Mein Vater begegnete mir im Traum mehrfach als Zotteltier, weil er den langen Weg von Pakistan bis nach Ramsau zu Fuß zurückgelegt hatte. Etwas verwahrlost.“ Niemand erkennt ihn, außer Kriemhild. „Er sah aus wie man sich einen Yeti vorstellen könnte.“ Längst studiert Kriemhild Sprachen in Heidelberg, beginnt dort bereits für die Tageszeitung kleine Artikel zu schreiben. Damit erfüllt sie einen Wunsch ihres Vaters, der in den 1950er Jahren in Deutschland, Österreich und anderen Alpenländern „fast wie ein Popstar gefeiert wurde.“
Denn Hermann Buhl ist nicht nur der Kletterer, Abenteurer und Alpinist, sondern auch ein Mann mit musischer Ader. Er spielt Gitarre, singt mit seinen Bergkameraden nach getaner Arbeit in den Hütten und schreibt ein Buch, in dem er philosophisch bekennt: „Der Weg zum Ziel ist es immer wert, sein Äußerstes zu geben. Weil man dafür sein Innerstes bekommt. Einen Widerhall der Seele.“ Kriemhild Buhl nickt zustimmend, wenn man ihr dieses Zitat vorliest. „Kletterer sind kreative Menschen. Künstler.“
„Das war alles andere als einfach“
Kriemhild Buhl
Auch Mutter Eugenie hat einen Hang zum Schönen und zur Kunst. Sie verfasst Gedichte und regt ihre Töchter zum Lesen an. „So wurde ich zu einer Leseratte, später eben zu einer Autorin.“ Erst schreibt Kriemhild Gedichte, dann Glossen für die Presse, es folgen Kinderbücher. „Sie erschienen mir einfacher zu sein, als gleich komplexe Romane.“ Doch irgendwann wagt sie sich an Erzählliteratur für Erwachsene. Die Krimis „Eiskalte Bescherung“ und „Giftige Nachbarn“ erscheinen in den 1990er Jahren. Dann schreibt sie die erste Familienbiografie „Mein Vater Hermann Buhl.“ 2011 folgen der satirische Roman „Trinken hilft“ und 2019 das überarbeitete und ergänzte Familienpsychogramm „Papa Lalalaya.“ Darin schildert Kriemhild Buhl ihre Erinnerungen und Emotionen an ihren Vater und die Familien. Unaufgeregt, berührend, packend, erhellend, mutig und ermutigend. „Denn die Aufarbeitung“, sagt die inzwischen 71-Jährige, „war alles andere als einfach.“
Mein lieber Jörg, wie schon beim Letzten Mal, kann ich Dir auch dieses Mal nur gratulieren zu Deiner Gesprächspartnern. Sie hat wohl einige Gene von ihrem Vater mitbekommen. Sehr interessante Erscheinung.
Lieben Dank, lieber Rolf. Ja, Kriemhild ist eine kluge und bezaubernde Autorin. Und eine hervorragende Schreiberin.